MATTHIAS JARCKE, WALTER MUTH UND BORIS WEHR IM GESPRÄCH

ÜBER FLÄCHENENTWICKLUNGSPLÄNE, BACKREZEPTE UND BAUCHGEFÜHL

Drei Experten, die seit Jahren im Back-Business zuhause sind: Als Architekt bringt Matthias Jarcke die Erfahrung aus zahlreichen Back-Bauprojekten mit. An der Seite von Peter Görtz wurde er in der Metropolregion Rhein Neckar zum architektonischen Impulsgeber und Vorreiter für ein innovatives Filialkonzept. Walter Muth ist Standortenwickler und der „Location-Scout” und im Team. Boris Wehr wurde Bäckermeister – hat aber schon an der Meisterschule beschlossen: Lieber beraten als backen! „Mit dem Insiderblick erkenne ich oft schon auf den ersten Blick, was anders laufen müsste, damit es läuft!“ Wie es laufen kann, darüber unterhalten sich Matthias Jarcke, Walter Muth und Boris Wehr in der „Brotzeit” in Heddesheim bei Heidelberg.

MEETING IN DER BÄCKEREI „BROTZEIT“ IM HERZEN VON HEDDESHEIM BEI HEIDELBERG

WALTER MUTH: Es ist immer was Besonderes, hierher zu kommen, in die Brotzeit nach Heddesheim. Nur ein kleiner Ort in der Nähe von Heidelberg – aber sicher eins unserer außergewöhnlichsten Bäckerei-Projekte: freistehender Solitärbau, tolle Architektur, direkt neben Rathaus und Stadtkirche, mitten im Ortszentrum, die Bäckerei als stadtbildprägendes Begegnungs- und Kommunikationszentrum. Großartig … 

MATTHIAS JARCKE: … und ein echter Glücksfall mit Seltenheitswert! Hier hat einfach alles gepasst. Die Stadt Heddesheim hat sich diese Bäckerei in dieser Form an diesen Standort gewünscht. Und sie hat alles dafür getan, das dieser Wunsch Wirklichkeit wird. Die Stadtverwaltung hat unsere Görtz-Projekte in der Metropolregion Rhein Neckar mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Offensichtlich waren alle überzeugt, dass wir die Richtigen sind, um diese Vision umzusetzen. 

BORIS WEHR: Und wenn die Entscheidung gefallen ist, dann geht’s wie das Brezelbacken: Schnelligkeit ist alles. Lange Planungs- und Entscheidungsphasen sind leider ganz oft das Aus für eine gute Idee. 

MATTHIAS JARCKE: Ja – aber genau hier liegt ja unsere große Stärke: Wir bringen alle drei unglaublich viel Erfahrung im Bäcker-Business mit. Natürlich mussten wir auch unsere Lernkurven drehen – aber die liegen hinter uns. Wenn heute ein Flächenentwicklungsplan vorliegt, und wenn wir einen idealen Standort ausgemacht haben, dann können wir mit dem Bauherrn die Sache innerhalb kürzester Zeit auf den Weg bringen. Es macht überhaupt keinen Sinn, mit einer vagen Idee in eine Gemeinderatssitzung zu gehen. Wir kommen mit einer fertigen Visualisierung. Bei der Präsentation des Projekts bringen wir nicht nur Standortanalysten, Verkehrsanbindung, Logistik mit ein. Natürlich spielen die funktionalen Aspekte und die Machbarkeit eine wichtige Rolle. Aber mit unserer Visualisierung machen wir das Projekt lebendig. Greifbar und vorstellbar. Es ist nicht länger eine abstrakte Idee, sondern eine Bäckerei, eine Gastronomie, eine Location, die mit ihrer Architektur das Stadtbild positiv verändern kann. 

WALTER MUTH: Das bedeutet aber auch eine Menge Vorleistung. Es besteht ja immer das Risiko, dass der Antrag abgelehnt wird … 

MATTHIAS JARCKE: Das stimmt schon. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit dieser Vorgehensweise sehr, sehr gute Erfolgschancen haben. Einer fehlt heute in unserer Runde: wenn es um Visualisierungen und Stadtplanung geht, ist Daniel Schönle der perfekte Partner. Er ist Baubotaniker, Architekt und Stadtplaner aus Stuttgart und hat viele Back-Projekte erfolgreich begleitet. Für ihn ist eine Bäckerei nicht einfach eine „Kiste, die man solange dreht, bis man irgendwie reinkommt und sich mit seiner Kaffeetasse raussetzen kann.“ Es geht nicht nur um funktionale Aspekte wie Verkehrsanbindung, Zugänglichkeit, Anlieferungswege und Parkmöglichkeit – Schönle schafft es, die landschaftlichen und stadträumlichen Potenziale eines Projekts zu erkennen und zu entwickeln. Soll sich das Gebäude zurücknehmen und ins Umfeld integrieren? Oder wollen wir auch architektonisch eine Landmarke schaffen, die das Bild der Umgebung prägt? Alle diese Überlegungen fließen in die ersten Konzeptionen, Skizzen und Visualisierungen mit ein. Und das sitzt. Es gelingt uns ganz oft, die Entscheidungsgremien von Anfang für unsere Lösungen zu begeistern. Auch wenn die bürokratischen Hürden nicht gerade beflügeln … 

WALTER MUTH: Als Standort-Scout weiß ich sehr gut, was du meinst. „Standort-Scout“ klingt nach Spurensuche, Abenteuer, unentdeckte Ländereien entdecken und erschließen. Die Wirklichkeit sieht allerdings meistens ein bisschen anders aus: Wir bewegen uns als Standortentwickler immer zwischen Landesentwicklungsplänen, Stadtplanung, Gestaltsatzungen und Gemeinderatsentscheidungen. Wilde und verwegene, kreative und mutige Entscheidungen sind bei uns in Deutschland eher die Ausnahme. Deutschland ist eine Gutachterrepublik. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Gutachten sind gut. Aber manchmal würden wir uns mehr Wagemut wünschen. Es gibt natürlich Standortfaktoren, die absolut erfolgsentscheidend sind. Das weiß inzwischen jeder: Ein guter Standort sollte mindestens 8.000 Verkehrskontakte pro Tag bieten. Gibt’s dann noch komfortable Parkmöglichkeiten, dann sind die Voraussetzungen nicht schlecht. Ich erinnere mich gut an die skeptischen Reaktionen als wir die ersten Bäcker-Filialen direkt auf dem Aldi-Parkplatz eröffnet hatten. Die gut sortierte Frisch-Back-Theke des Discounters direkt nebenan – kann das funktionieren? Ja, klar! Und wie das funktioniert! Wir sind an einem „Verkehrsknotenpunkt“ des Alltags. Es gibt genügend Kunden-Potenzial für alle. 

MATTHIAS JARCKE: Deutschland als Gutachterrepublik – das wirkt auf den ersten Blick ziemlich nüchtern und bürokratisch. Viel „Pflicht“ und wenig „Kür”. Eigentlich schade. Aber wir haben auch erlebt, dass es durchaus kreative Gestaltungsräume gibt. Sie sind nur sehr klein und die Time-Slots, in denen wir was bewegen können, sind winzig. Das heißt, wir müssen extrem schnell sein: Gibt es einen Flächenentwicklungsplan, dann müssen möglichst frühzeitig ein paar entscheidende Faktoren zusammenkommen: Wir brauchen einen Bauherren, ein Businessmodell, eine geniale Idee, ein tragfähiges zukunftssicheres und nachhaltiges Konzept, eine solide Finanzierung – und eine richtig gute Visualisierung. Damit können wir punkten. BORIS WEHR: Eigentlich ist es genau das, was uns als Team stark macht: die Kombination der unterschiedlichsten Kompetenzen und Erfahrungen, das gebündelte Backbau-Knowhow. Unser Wissen über die Back-Landschaft ist jederzeit abrufbar. Wir müssen uns nicht einarbeiten, sondern können sofort loslegen – von 0 auf 100! Ohne dass wir dabei auf Standard-Lösungen oder Schubladen-Konzepte zurückgreifen müssen. Jede Aufgabenstellung ist anders. Aber wir wissen, was funktionieren wird, und was nicht. Das haben wir schon in allen Variationen durchgespielt. Ich hab’ das schon am Anfang meiner Beratertätigkeit gespürt: Als Diplomkaufmann kann ich Zahlen interpretieren. Businesspläne, Finanzierungen, Rentabilitätsberechnungen – alles kein Problem. Aber da gibt’s was, was mich von den meisten Beratern unterscheidet: Ich bin in der Backstube meines Vaters groß geworden. Wenn ich ein Rezept lese, weiß ich, wie das Brot schmeckt. Ich kann meinen Kunden Tipps geben, wie lange ein Sauerteig ruhen sollte und welcher Ofen der richtige ist. Klassische Bankberater kommen hier an ihre Grenzen – sie sind halt keine Backberater. Mit Bäckern haben wir es mit einer der letzten klassischen Handwerkszünfte zu tun. Und der Trend geht ganz klar in Richtung traditionelles Backhandwerk: Regionale Zutaten, natürliche Rohstoffe, alte Rezepte, gute Qualität, ehrliches Brot. Aber unternehmerisch gehen viel Bäcker neue Wege: junge, innovative Konzepte, kreativer Ladenbau, Online Kommunikation, neue Marketingstrategien – die Übernahme des elterlichen Betriebs ist meist nur der erste Schritt. Und dann kommt die „Revolution“. Gut, wenn man dafür die richtigen Mitstreiter an der Seite hat – für die Standortwahl, die strategische Ausrichtung, die Architektur und Ladengestaltung und für alle unternehmerischen und wirtschaftlichen Entscheidungen. 

MATTHIAS JARCKE: Und wir sprechen natürlich auch über ökologische Aspekte: Wie sieht unser CO2 Fußabdruck aus? Was können wir tun, um nachhaltig und klimaneutral zu bauen? Oder sogar klimapositiv? Wie gestalten wir Wassermanagement und Energieversorgung zukunftsweisend und klimagerecht? Sind unsere Lösungen im Blick auf alternative Mobilität anschlussfähig? Und auch wenn es bei der Planung noch weit entfernt scheint – welche Antworten haben wir für Rückbau und Recycling? Alle diese Fragen fließen von Anfang an in die Planung mit ein. 

WALTER MUTH: Und doch geht es bei allem strategischen Denken, Beraten, Planen und Bauen immer um das Eine: ums Essen. Um Geschmack und Genießen. Vielleicht spielt deswegen auch das „Bauchgefühl“ eine entscheidende Rolle: Manchmal sieht man einen Bebauungsplan und spürt instinktiv, was hier zu tun ist. Oder es bieten sich einmalige Chancen, die man sofort ergreifen muss. Die kommen nie wieder. Hier sind wir ganz nah dran und unglaublich schnell. Jeder mit seiner Profession und Leidenschaft. MATTHIAS JARCKE: Und wenn wir den richtigen Bauherren mit an Bord haben, dann kann etwas ganz Besonderes und Einzigartiges entstehen. Die Backprozesse und gastronomischen Funktionsanforderungen kennen wir aus dem Effeff. Wir wissen, wie eine Bäckerei funktioniert. Unsere ganze Energie und Kreativität können wir in die Entwicklung individueller Konzepte und außergewöhnlicher Detail-Lösungen stecken. Und in eine Architektur, die jedem Projekt einen ganz besonderen Wert und einen unverwechselbaren Charakter verleiht. Und dafür schlägt mein Herz.

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