Peter Görtz: „Du kannst alles kopieren, wenn du dir Mühe gibst — aber die wenigsten sind bereit, sich Mühe zu geben!“
Gemeinsam mit Matthias Jarcke als Architektur-Partner hat Peter Görtz in der Metropolregion Rhein Neckar ab 2010 ein neues “Brotzeitalter“ eingeläutet. Heute gibt es bereits 197 Görtz Filialen in der Region – und die Zukunft kommt erst noch! Bei einem Besuch am Unternehmensstandort in Rheingönheim erzählt Peter Görtz, welche Bedeutung das „Bauen“ fürs „Backen“ hat.
PETER GÖRTZ: Eigentlich ging’s bei uns von Anfang an „rund“: Eins der allerersten Projekte, die ich gemeinsam mit Matthias Jarcke umgesetzt habe, war die “Brotzeit” in der Bürgermeister-Grünzweig-Straße in Ludwigshafen. Ein verrücktes Vorhaben: Eine alte 50er Jahre Tankstelle, völlig verfallen – aber für die Ludwigshafener hatte der Rundbau
Kultstatus. Also haben wir gesagt: „Wenn euer Herz dran hängt, dann können wir auch rund.“ Und so ist ein halbrunder zweigeschossiger Bau entstanden – Bäckerei, Café, Gastronomie mit riesigen Panorama-Fenstern zur belebten Kreuzung hin – ein Anziehungspunkt, der dem Platz eine völlig neue Aufenthaltsqualität verleiht. Es war aufwändiger, teurer und viel komplexer als gedacht. Aber die Entscheidung war goldrichtig.
197 FILIALEN – DAS KLINGT NACH EINER AUSGEFEILTEN EXPANSIONSSTRATEGIE?
Als ich mit meinen Bruder den elterlichen Betrieb übernommen hatte, haben wir in den ersten Jahren in Bäckereien von Kollegen investiert, die ihren Betrieb abgeben wollten. Aber wir haben schnell gespürt, dass man mit Vergangenheit keine Zukunft gestalten kann. Jedenfalls nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Expansion braucht Räume. Und dabei geht es nicht nur um Platz, sondern um Format. Vielleicht sogar um ganz neue Formate.
Neue Formate – das hatte für uns eine ganze Menge mit Ortswechsel zu tun: Wenn wir die Entwicklung in Dörfern und Städten beobachten, dann sehen wir, wie sich der Handel bewegt. Also müssen wir als Bäcker beweglich sein und mitziehen. Dorthin, wo die Menschen sind. Und wenn das der Aldi im Gewerbegebiet ist, dann ist die Filiale auf dem Aldi-Parkplatz vielleicht genau der richtige Standort. So sind wir losgezogen – immer auf der Suche nach den Plätzen, die besser funktionieren als andere.
WELCHE ROLLE SPIELT DABEI DER ARCHITEKT?
Eine absolute Schlüsselrolle. Wenn du eine Idee hast, eine Vision, dann brauchts du jemanden, der schnell in der Lage ist, das Ganze zu visualisieren. Und zwar so, dass auch Dritte die Idee verstehen und teilen können. Die Zusammenarbeit mit Matthias Jarcke hat von Anfang an Spaß gemacht, und auch menschlich hat es einfach gepasst. Wir waren unglaublich schnell und stark in der Präsentation. Ein Entwurf, der im Gemeinderat ankommt mit einem Architekten, der im Gemeinderat ankommt – das war oft schon die halbe Miete. Wir haben nicht immer 100 Prozent Sicherheit gesucht, sondern sind weit ins Risiko gegangen – ganz häufig mit gutem Erfolg.
Rückenwind kam auch von den Bürgermeistern der Region. Sie haben gesehen, dass wir Orte
schaffen, die für den Ort wichtig sind. Wir konnten an entscheidenden Plätzen neue Mittel-
punkte entwickeln – die Brotzeit in der Ortsmitte von Heddesheim ist ein sehr gelungenes
Beispiel dafür.
Aber letztendlich ist nicht die Stadtentwicklung entscheidend: Die Idee, der Gedanke des Bauens muss aus dem Unternehmen selbst kommen, und viele Bäcker haben diesen Gedanken nie gehabt. Dabei kann man eigentlich viele Erfolgsrezepte kopieren. Wenn man sich Mühe gibt. Aber die wenigsten sind bereit, sich Mühe zu geben.
Natürlich wird es nicht einfacher, ein Bauvorhaben umzusetzen. Vor Jahren konnten wir zum Beispiel mehrere alte Tankstellen in optimaler Verkehrslage umbauen – solche „Geheimtipps“ gibt es heute fast gar nicht mehr. Der Immobilienmarkt boomt und es sind viele Mitspieler auf dem Feld. Deshalb setzen wir bei unserer Expansionsstrategie nicht nur auf unser untrügliches Gefühl und sicheres Gespür, sondern auch auf die Erfahrung von Standort-Scouts mit echtem Branchen-Knowhow.
WAS WÜRDEN SIE EINEM KOLLEGEN MITGEBEN, DER DURCHSTARTEN MÖCHTE?
So richtig durchstarten? Mit allen Konsequenzen? Okay, dann los:
1. Bei jeder Betriebsübernahme sollte man sich bewusst sein: Nach 20 bis 30 Jahren braucht es einen Neustart. In diesem Zeitraum haben sich alle Strukturen im Ort verändert. Also stell dich auf Veränderung ein – vielleicht sogar auf einen Neubau.
2. Finde raus, was dein Konzept ist! Jeder Betriebsinhaber ist gut beraten, wenn er sein Konzept kennt.
3. Man muss gar nicht viel falsch machen, damit es nicht funktioniert. Aber du musst unheimlich viel im Detail richtig machen, damit es besser funktioniert als bei anderen. Deshalb: Such dir Partner, die Back-Knowhow mitbringen. Das erspart Misserfolge und unnötige Lernkurven.
4. Schlag zu! Vielleicht kommt der richtige Moment nie wieder. Wir haben neulich eine Filiale der Deutschen Bank zur „Brotzeit” umgebaut. 44 Jahre lang war die Deutsche Bank Mieter. Und 44 Jahre lang wusste jeder, das es am Ort keinen besseren Standort gibt als diesen. Hätten wir auch nur einen Moment gezögert – vielleicht hätten wir nochmal 40 Jahre warten müssen …